Norwegen 07.08. - 24.08.2019

Da direkt am Parkplatz der Finnskogveden vorbeigeht und wir auch dringend mal wieder etwas Auslauf brauchen, gehen wir auf dem schmalen Pfad hinauf bis zu einem wunderschön gelegenen See mit einer Unterstandshütte. Da die Wacholder- und Blaubeersträucher schwer vom Regen dicht über dem Weg hängen, sind wir schon bald bis zu den Knien nass. Aber egal, wir sehen viele Elchspuren und Hinterlassenschaften und wir haben ja die Hoffnung einen Elch zu sehen noch nicht aufgegeben. Aber wird wieder nix! Kaum an der Hütte angekommen, spüren wir schon die ersten Tropfen, also drehen wir um und schaffen es dem Regen davonzulaufen. Auf der Weiterfahrt entlang großer Getreidefelder und einem Kartoffelfeld nach dem anderen, machen wir an einer aufgegebenen Sprungschanze Pause, bevor wir in Hamar am Spätnachmittag beim Freilichtmuseum ankommen.  Hier sind über 60 Gebäude in einem großen Park am Ufer des Mjøsasees aufgestellt. Und das Beste: es kostet keinen Eintritt! Vor dem nächsten Schauer besichtigen wir einige der wirklich schönen Häuser und staunen über die gewaltige Glaskonstruktion, die sich über die Ruine der ehemaligen Domkirche spannt. Einen Vorteil hat das schlechte Wetter: es geht niemand zum Baden, so dass wir auf dem Parkplatz vom Badestrand noch einen guten Platz zum Schlafen finden. 

Oje, wir hören es schon: Regentropfen. Trotzdem fahren wir noch schnell zu der Olympiahalle von 1994, die an ein riesiges Wikingerschiff mit dem Kiel nach oben erinnern soll. Die Fahrt nach Lillehammer entlang des Mjøsasees, mit 110 Kilometer Länge der größte Norwegens, wäre ja eigentlich ganz schön, wenn nicht gerade die Straße zur Autobahn umgestaltet werden würde. In einem ewigen Zickzack und durch riesige Kieshalden geht es fast 50 Kilometer. Der Regen trägt auch nicht zur Stimmungsaufhellung bei. Doch kaum parkieren wir auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums ein, kommt die Sonne raus. Zu Fuß erkunden wir das nette Städtchen mit seinen Holzhäusern, schönen Läden und vielen Kneipen. Doch dann wollen wir auch noch hinauf zu den beiden Sprungschanzen. Auf dem Weg dort hinauf kommen wir an tollen Häusern vorbei. Traditionelle Bauweise, aber moderne Architektur mit vielen großen Fenstern. Man merkt, die Leute hier sehnen sich nach Licht und verstecken sich nicht hinter Vorhängen, Jalousien und Markisen. Auch sind hier sehr viele Sportler mit Mountainbikes, Rennrädern, Langlaufskiern auf Rollen oder zu Fuß unterwegs. Oben an den Schanzen bringt ein Sessellift die Skiflieger hoch um auf den gewässerten Kunstrasen ihr Sommertraining zu absolvieren. Wir gehen unzählige Stufen entlang der Schanze hinunter zum Schanzentisch, denn dort haben wir so gut wie alles im Blick. Aber nur, wenn wir ganz schnell schauen, denn in Sekundenbruchteilen sind sie an uns vorbei und in der Luft. Ich kann mich gar nicht mehr losreißen, so hat mich das fasziniert. Und lauter junge Burschen. Doch die Pflicht ruft, wir brauchen noch einen Übernachtungsplatz und werden aber bald direkt nach Lillehammer am Mjøsasee fündig.

Wir können es gar nicht glauben, schon wieder scheint die Sonne! Das passt ja, denn heute wollen wir den Peer-Gynt-Weg fahren, eine knapp 40 Kilometerlange Bergstraße durch eine Hochgebirgslandschaft von Skei, ein Wintersportort, nach Gålå, dem nächsten Klein-Zermatt! In einem Touristenbüro holen wir uns noch ein paar Karten und Infos, bevor wir an der Mautstelle mit Karte ein paar Kronen abdrücken. Wir fahren vorbei an dichten Wacholder- und Blaubeersträuchern, Zwergbirken und Moorbirken und überall dazwischen die weißen Teppiche der Rentierflechte. Mit den zahlreichen Hügeln und Bergen, den kleinen Seen und Flüssen, dem Mix aus Sonne und Wolken, den knorrigen, abgestorbenen Bäumen kann man schon verstehen, dass das hier für die Menschen früher das Land der Trolle war. Auch Henrik Ibsen ließ sich hier zu seinem Werk Peer Gynt inspirieren. Im Hinterkopf höre ich die Peer Gynt Suiten von Edward Grieg. Zuhause werde ich wohl als erstes die LP hervorholen. Für die Strecke brauchen wir den ganzen Tag. Wir bleiben oft stehen, fotografieren, machen kurze Wanderungen, kochen Kaffee. Es ist wunderbar! Von Gålå aus geht es wieder bergab, vorbei an dunklen, alten Bergbauernhöfen, aber immer mit großen Fenstern, und die meisten mit tollen Grasdächern. 

Nach einer ruhigen Nacht im Tal, muss der Hiasl heute wieder ganze Arbeit leisten. Auf der anderen Flussseite  geht es wieder hinauf. Zuerst nach Skåbu, ein kleiner Ort mit einem Coop und einer schönen Holzkirche, die einen prächtig geschnitzten Holzaltar hat. Auf einer Karte sehen wir, dass es rund um Skåbu jede Menge Wanderwege, Radtouren und im Winter unzählige Loipen gibt. Nur schade, dass es schon wieder regnet. Bald erreichen wir die nächste Schranke für die Zufahrt zum Jotunheimenweg. Für 10 Euro darf man durchfahren. Zuerst geht es durch dichte Birken- und Kiefernwälder, da die Baumgrenze auf dieser Seit höher liegt als gestern, bei ca. 950 m. ab und zu gibt es eine Wolkenlücke und wir können einen Blick auf die schöne Landschaft werfen. Doch der Dauerregen und auch die Kälte verleiden uns jegliche Lust auf einen Spaziergang. Bald nach dem Überfahren des Passes auf etwa 1200 m haben wir sozusagen die Schnauze voll und stellen uns auf ein ebenes Fleckchen Abseits des Weges und verbringen den Rest des Tages mit Teetrinken, lesen und spielen. Ich verliere!

Wir können es kaum glauben, aber während des Frühstücks hört es zu regnen auf. Nach wenigen Kilometern Fahrt sehen wir einen Wegweiser nach egal wohin, ziehen schnell unsere wasserdichten Schuhe an und stiefeln los. Der Weg führt uns durch dichtes Buschwerk an einem reißenden Fluss hinauf auf eine Hochebene. Eigentlich müsste man mal die Flußseite wechseln, aber es ist zu viel Wasser drin. In der Ferne erkennen wir ein paar Berge mit Schneeflecken, aber leider sind die auf der anderen Seite. Irgendwann drehen wir um und als wir dann nach zwei Stunden wieder am LKW sind, geht es uns einfach besser, der Kopf ist nun frei. Bald darauf erreichen wir die Kreuzung, wo es nach Gjendesheim hintergeht. Man darf nun nicht mehr hinterfahren, sondern muss sich hier auf den Parkplatz stellen und dann entweder zu Fuß oder mit einem Shuttlebus fahren. Das wäre ja alles nicht so schlimm, aber die Parkgebühr für Wohnmobile liegt bei 25 Euro und dann ist auch noch das Übernachten verboten. Also da verzichten wir auf die Wanderung auf den Besseggengrat, denn so eine „aufregende“ Tour - teilweise ist der Grat nur mehr 30 Meter breit!!! - können wir in den Alpen an jeder Ecke machen. Der Anblick von einer nahe gelegenen Brücke ist allerdings der Wahnsinn: ein wild sprudelnder Fluss mit einer fast schon türkisen Farbe, der sogenannten Gletschermilch,  zwängt sich seinen Weg bergab. Leider ist es nun sehr touristisch hier und es wird recht schwierig einen Platz zu finden. Überall Schranken oder Verbotsschilder. Doch wir haben Glück! Die Zufahrt zu einem Parkplatz direkt am Ufer Sjödalsvatnet ist nur mit Allrad zu befahren und da haben sie sich die Schilder gespart, denn mit einem normalen Wohnmobil würde man da nicht runter kommen.

Die Fahrt geht weiter durch das Hochgebirgstal. Hier geht das Hochgebirge schon bei 500 m ü. NN an! Wir passieren immer wieder alte Bergbauernhöfe, aus fast schon schwarzem Holz gebaut, mit weißen oder roten Fensterrahmen und auch hier wieder oft mit Grasdächern. In Lom schauen wir uns eine Stabkirche an, die aber bei weitem nicht mit der auf Kizhi in Russland mithalten kann. Auch hier viele Reisebusse und noch mehr Wohnmobile. Wir laufen noch ein bisschen durch das Städtchen, aber es wird uns bald zu viel und so geht es weiter hinauf ins Sognefjellet. Die Gebirgsstraße führt auf den höchsten Pass Norwegens mit 1430 m. Wenn sich eine Wolkenlücke auftut, sehen wir die Gletscher der Jotunheimenberge. Überall rauscht und sprudelt das Wasser runter. Es ist eine herbe Landschaft mit flechtenbesetzten, grün schimmernden Felsblöcken und ab und zu Gräser oder Zwergbirken durchzogen von Bächen und Flüssen. Auf der Passhöhe steht die moderne Sognefjellethytta und von kann man eine kurze Wanderung zu einem Aussichtspunkt machen. So rein theoretisch sieht man von dort auf die mächtige Gletscherwelt, aber heute kann man sie nur erahnen. Außerdem ist es saukalt, so dass wir uns da nicht sehr lange aufhalten. Neben einer kleinen Piste, die zu einem Stausee führt finden wir einen Stellplatz für unser mobiles Heim. Seit langem müssen wir mal wieder unsere Heizung bemühen!

Es hat die ganze Nacht geregnet und wir haben in der Früh 6°. So ein Mist! Wir wollten doch heute eine Tour zum Gletscher machen. Wir warten bis drei Uhr, aber es wird einfach nicht besser. Es regnet noch immer in Strömen. Das können wir uns also abschminken. Schlecht gelaunt fahren wir die eigentlich tolle Hochgebirgsstraße im Dauerregen und dann auch noch im Nebel von 1400 m hinab bis auf Meereshöhe. Am Lustrafjord angelangt wird zumindest schon mal die Sicht besser. Über eine enge Straße geht es nun an dem Fjord bis Gaupne entlang. Und immer an den unübersichtlichsten Stellen kommt uns ein Holländer oder ein Wohnmobil in Straßenmitte entgegen. Wolfgang ist sichtlich genervt und wir sind beide froh, als wir den nicht so tollen Fahrtag auf einem Parkplatz am Beginn des Jostadals beenden. 

Uii, die Sonne zeigt sich. Wir folgen der Straße im Jostadal nach Fåberg. Dort führt uns unsere Navi-App ein paar hundert Meter durchs Unterholz, wo wir schon glauben, dass wir da ja für die restlichen 10 Kilometer eine gefühlte Ewigkeit brauchen. Aber nein, schon bald biegen wir auf eine zwar sehr schmale, aber doch geteerte Straße Richtung des angepeilten Parkplatzes ab. Es ist manchmal ganz amüsant, wenn man das Navi auf kürzeste Entfernung einstellt! Auf der Karte haben wir gesehen, dass von dem Parkplatz hinten ein Weg zum Fuß des Fåbergstølnbreen, eine der vielen Gletscherzungen des größten Gletschers des europäischen Festlandes, dem Jostadalsbreen, geht. Über den manchmal schlecht erkennbaren Pfad wandern wir über große Steine, durch Buschwerk und glitschige Flussbette hinauf, bis es wegen der reißenden Gletscherabflüsse nicht mehr weitergeht. Das angepeilte schwarze Gletschertor erreichen wir zwar nicht, aber es ist trotzdem ein tolles Erlebnis. Zudem wir hier nur auf ca. 700 m über Meereshöhe stehen. Um solche Eismassen zu sehen, muss man in den Alpen schon ein bisschen weiter rauf. Nach einer Pause am Auto rollen wir hinab bis zum Breheimsenteret, von wo uns eine Mautstraße zum Parkplatz des Nygardsbreen führt. Hier sind wir natürlich nicht die einzigen Besucher, wie am Vormittag, aber dafür kommen wir hier noch ein bisschen näher an das ewige Eis. Außerdem kommt man hier auch schneller voran, da der Weg über riesige, glatt geschliffene Felsen führt, immer entlang des Gletschersees. Für Gehfaule wurde hier sogar ein kleiner Schiffsverkehr eingerichtet. Ganz am Fuß sehen wir abgebrochene Eisbrocken, alles schimmert in strahlendem Weiß oder in Blau. Trotz der Leute sind wir ganz begeistert, müssen dann aber doch bald wieder los, da es mal wieder zu regnen beginnt. Erstaunlich ist, dass hier der Gletscher bis auf 400 m runter geht! Kaum haben wir dann nach wenigen Minuten einen Übernachtungsplatz gefunden, fängt es so zum Schütten an, dass wir erst gar nicht aussteigen können. Also das Wetter in Norwegen macht uns schon zu schaffen.

Unser Wäscheberg nimmt schon wieder ungewollte Ausmaße an, so dass wir nur in Sogndal einen kurzen Einkaufsstopp machen und dann am Sognefjord entlang bis Leikanger auf einen kleinen Campingplatz fahren. Heute ist mal wieder blauer Himmel und Sonnenschein und mit den vielen Obstplantagen (Äpfel und Pflaumen), dem Fjord und den bewaldeten Bergen, den kleinen Dörfern mit den bunten Häusern und den vielen Tunneln, glauben wir am Gardasee zu sein! Nach unseren Hausfrauentätigkeiten machen wir einen ausgiebigen Spaziergang durch den Ort, schauen uns die Kirche aus dem 13. Jahrhundert an, alte Grabhügel aus der Wikingerzeit und lassen uns an der Strandhütte des Campingplatzes die Sonne auf den Bauch scheinen. 

Nach einer ausgiebigen Dusche in dem kleinen, aber modernem Sanitärgebäude, sogar mit Fußbodenheizung und Pflegeprodukten, geht die Fahrt bei bedecktem Himmel am Sognefjord weiter. Mit einer Fähre setzen wir nach Balestrand über, in unserem Reiseführer kräftig hervorgehoben. Okay, es gibt eine kleine Stabkirche aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und ein altehrwürdiges Hotel mit einem scheußlichen Sechziger-Jahre- Anbau, zwei kleine Museen, tja, und das war es schon. Wir rätseln, ob der Tourismus hier vielleicht im Juli mehr boomt? Für uns geht es auf jeden Fall bald weiter zur nächsten Fähre. Bei mittlerweile strömendem Regen fahren wir die enge und kurvige Straße bis nach Leirvik, auf der uns immer wieder junge Kamikazifahrer entgegenkommen, wo uns die Fähre gerade vor der Nase wegfährt. Die nächste geht dann in zweieinhalb Stunden. Also schnelle Umentscheidung und 20 km zurück nach Lavik, von wo aus dauernd eine Fähre nach Oppedal rüber geht. Auf einen winzigen Platz ein paar Meter von der Straße entfernt wollen wir übernachten, da dort aber schon ein junges Pärchen ihr Zelt aufgestellt hat, bleibt uns nur ein enger Durchschlupf, eingekeilt zwischen Büschen. Aber egal, bei dem Sauwetter wollen wir heute eh nicht mehr raus.

Die ganze Nacht trommelt der Regen aufs Dach. Also nichts wie weiterfahren. Wir nehmen die E39 und wollen etwas weiter südlich nach Westen in Richtung Hardangervidda abbiegen. Doch ein kleines Schild mit dem Hinweis, dass die Tunnel nur für Fahrzeuge bis 3,40 m zu durchfahren sind - wir haben 3,50 m - bringt unsere ganze Planung durcheinander. Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass wir nun auf der E39 weiter bis fast nach Bergen müssen, ehe wir wieder nach Osten abbiegen können. Und das auch nur wieder mit Fähre. Leider sind die Fährüberfahrten für Fahrzeuge über 6 m mehr als doppelt so teuer, wie für welche bis 6 m und nur manchmal verschätzt sich der Kassierer und stuft uns kürzer ein! Wir schauen uns ein paar Wasserfälle an, kommen aber nicht immer trocken am LKW an. Nur bei dem Steinsdalsfossen regnet es ausnahmsweise nicht. Er ist nicht besonders hoch oder breit, aber es führt ein Fußweg hinter dem Fall durch und das kann man natürlich schön vermarkten. Dementsprechend sind wir hier nicht die einzigen, aber für uns eine Gelegenheit sich mal die Füße zu vertreten. Danach geht es weiter durch die regenverhangene Fjordwelt und dann kommt auch schon die nächste Überfahrt nach Jondal. Ein chinesischer Tourist ist hin und weg von unserem Auto, denn sowas hat er noch nie gesehen. Er will alles ganz genau wissen und Fotos von uns mit ihm und LKW machen. Überhaupt ist uns das in Skandinavien schon oft passiert. Anscheinend ist das nicht so beliebt bei den anderen LKW-Wohnmobilfahrern. Da heute niemand badet, stellen wir uns gleich in Jondal auf den Badestrandparkplatz. Heute nur Regen, Regen, Regen!

 

Gleich nach dem Losfahren kommen heute zwei lange Tunnel mit 10 bzw. 11 km dran. Für den ersten ist Maut fällig. Dazu wird unser Kennzeichen gescannt und dann werden wir eine Rechnung nach Hause bekommen. Der zweite kostet nichts. Norwegen verlangt nämlich solange Maut für einen Tunnel, bis die Anschaffungskosten getilgt sind, ab dann ist er mautfrei. Find ich eigentlich ganz in Ordnung, bei uns würden sie Maut verlangen bis die Erde untergeht. In Odda, eine ehemalige Industriestadt, machen wir Halt und nutzen die Regenpause um uns die Fabrikruinen anzusehen. Die teilweise schönen Ziegelgebäude beherbergen jetzt Cafés, Restaurant und Ausstellungsräume oder gammeln vor sich hin. Ansonsten gibt es in Odda noch wenige bunte Holzhäuser und viel hässliche Neubauten. Als wir am Hiasl ankommen setzt pünktlich der Regen wieder ein. Wenn man mal Blick auf die Berge hat, sehen wir überall die eine Unzahl von kleinen und großen Wasserfällen und oft kündigen sie sich schon von Weitem durch die Gischtwolken an. Der Doppelfall Låtefoss ist direkt an der Straße gelegen und nach einem Gang über die Brücke ist man sozusagen patschnass. Kurz darauf nehmen wir in Skare eine steile, enge Bergstraße, die uns hinauf in die Hardangervidda, Europas größte Hochgebirgsebene, bringt. Spannend wird es immer, wenn uns ein Auto entgegenkommt. Manche stellen sich dann einfach hin und warten bis wir mit unserer Kiste zur nächsten Ausweiche zurückstoßen. Da denkt man sich schon, dass es besser gewesen wäre, hätten sie sich statt ihrem SUV lieber einen Smart gekauft. Kurz vor einem Stausee ist eine Schranke und praktischerweise gleich auch  noch ein Parkplatz für uns. Es folgt ein „gemütlicher Nachmittag auf der Couch“.

Dauerregen die ganze Nacht, es haben sich neben dem Auto viele Miniwasserfälle entwickelt, die Wiesen und Hänge können nichts mehr aufnehmen. Da der erste Teil der Straße nur gekiest ist, schauen wir, dass wir hier wegkommen. Aber bis auf eine Stelle, wo das Wasser in hohem Bogen auf die Straße fällt und sie dort auswäscht, ist alles okay und das mistige Wetter hat zumindest den Vorteil, dass kein Mensch unterwegs ist. In Røldal biegen wir auf den Ryfylkevegen ein, der als landschaftlich besonders schön ausgezeichnet wurde. Aber wie schon die ganzen letzten Tage können wir nur wenig davon sehen. Mittlerweile macht sich schon etwas Enttäuschung bei uns breit. Aber kann man nix machen. Ein Highlight gibt es doch: ein enormer Wasserfall macht sich schon von Weitem mit seiner Gischt bemerkbar. Wir schauen uns das Spektakel vom nahe gelegenen Parkplatz an und als wir dann vorbei fahren, kommt es uns so vor, als ob wir in einer Autowaschanlage sind. Das war schon gigantisch! Wir sehen ja heute nicht viele Autos, aber doch hin und wieder einen Tesla. Überhaupt ist in Norwegen die Tesladichte extrem hoch. Und das liegt an den starken Steuervergünstigungen. So wird beim Kauf eines E-Autos keine Kaufsteuer fällig, die je nach Schadstoffklasse und CO²-Ausstoß bis zu gut 10.000 € betragen kann. Desweiteren keine KFZ-Steuer, keine Maut- und Fährkosten, Strom umsonst. Allerdings ist Norwegen gerade dabei diese Vergünstigungen zurückzufahren, denn die Steuerausfälle sind enorm, da der E-Autoanteil mittlerweile bei 25% liegt. Zum Vergleich: in Deutschland gibt es in etwa genauso viele E-Autos wie in Norwegen, ca. 45.000, aber wir haben 83 Millionen Einwohner und Norwegen nur 5,3 Millionen!

Und wir mit unserem alten Diesel fahren noch bis Vikedal, ein kleines Hafenstädtchen, wo wir morgen hoffentlich eine nette Wanderung machen können.

Da es beim Frühstück immer nur minutenweise regnet, entscheiden wir uns für die Wanderung. Aber es geht schon gut los: die ersten zehn Minuten müssen wir steil auf einem durchnässten und verschissenen Fahrweg bergauf. Und dann fängt es auch schon zu nieseln an. Leider schüttet es bald, aber so richtige Wandersleut‘ lassen sich davon nicht abschrecken. Der Weg wird schnell zu einem Bachbett, immerhin findet man da noch Steine, die aus dem Wasser ragen. Schlimm sind dann die Wiesenabschnitte. Da stecken wir schon mal bis zu den Knöcheln im Sumpf. Ausweichmöglichkeiten: Fehlanzeige! So kämpfen wir uns immer weiter bis wir endlich auf der „Kleinen Trollzunge“ - in echt Skomkarnibba - stehen. Mit klammen Fingern hole ich die Kamera aus dem Rucksack, damit der spektakuläre Stand auf dem herausragenden Felssporn festgehalten wird. Und dann nichts wie runter. Es gießt weiter wie aus Eimern und als wir dann endlich am LKW ankommen sind wir beide bis auf die Haut nass. Auch die Schuhe konnten da nicht durchhalten, wenn es von oben reinläuft. Mit trockenen Sachen fahren wir dann weiter auf dem Ryfylkevegen, bis wir mit der hoffentlich letzten Fährfahrt nach Nesvik übersetzen. Wir sind genervt und nehmen dann einen nicht so tollen Parkplatz direkt an der Straße. Aber ist egal, denn es regnet sowieso. Im Auto verbreitet sich dann allmählich ein gewisses Odeur, das nach nassem Hund erinnert. Kein Wunder bei dem ganzen nassen Zeug, das wir überall rumdrapiert haben.

„Raindrops keep falling on my head…“, was sonst! Wir lassen uns Zeit, hören ein paar Kapitel mehr vom Hörspiel und fahren dann erst nach Mittag los. Und tatsächlich lässt der Regen nach und einmal scheint sogar die Sonne. Wolfgang biegt sofort in einen Rastplatz ein und spannt ganz ungeniert zwischen Bäumen eine Schnur und hängt sofort unser Zeug auf. Mir ist das etwas peinlich, dass da unsere Unterwäsche rumbaumelt. Der Trocknungserfolg ist auch nur mäßig, da die Wolkenlücke nur von kurzer Dauer ist. Es geht weiter am Lysefjord, einem sehr schmalen Wasserarm. Ein Abstecher zu einem kleinen Hafen bringt uns leider gar nichts, da überall Privat-Schilder stehen und wir nicht wie erhofft eine Runde am Fjord drehen können. Dafür stiefeln wir ein bisschen in Sandnes rum, das eine kleine Fußgängerzone hat und trinken ausnahmsweise in einem Café einen leckeren Cappuccino mit ganz frischen Zimtschnecken dazu. Am Hafen schauen wir dann fasziniert den Seeschwalben zu, die sich immer todesmutig im Sturzflug ins Wasser stürzen, um einen der kleinen Fische zu erhaschen. Mittlerweile sind wir in einer recht flachen Gegend angekommen. Erstaunlich ist aber, dass die Felder und Wiesen mit ziemlich großen Gesteinsbrocken durchsetzt sind bzw. waren. Und im Laufe der Zeit wurden daraus viele, viele sogenannte Lesesteinmauern errichtet. In der Nähe von Varhaug steuern wir mal wieder einen Wanderparkplatz an, der in einem Weidegebiet für Kühe oder eher Kälber liegt. 

Mitten in der Nacht wachen wir auf, weil das Auto so schaukelt. Ich denke gleich wieder an ein Erdbeben, wie in Griechenland vor drei Jahren. Doch es sind die Kühe, die sich genüsslich an unserem LKW reiben. Wolfgang springt dann raus und verscheucht sie. Am frühen Morgen kommt ein Sturm auf mit ziemlich heftigem Regen. Diesmal schaukelt das Auto wegen des Windes. Und als wir aufstehen, sehen wir, dass sich die ganze Herde im Wind- und Regenschatten unseres Trucks gestellt hat. Das hat dann später den Nachteil, dass Wolfgang nicht auf der Fahrerseite einsteigen kann, denn dort hätte er wieder bis zu den Knöcheln im Batz gesteckt. Mittags hört es endlich zu schütten auf und wir fahren bei Ogna an die Nordseeküste. Bei kräftigem Wind spazieren wir durch die hohe Dünenlandschaft zu einem weiten Sandstrand. In den kräftigen Wellen tummeln sich zwei Surfer. Wir entdecken am Strand kleine schwarze Gebilde. Google erklärt uns, dass das die Eikapseln von Sternrochen sind. Noch nie gehört, aber die gibt es die ganze Atlantikküste von Grönland bis runter nach Namibia. Bald nach Ogna kommt schon der nächste Stopp. Und zwar gibt es in dieser Gegend diverse Verteidigungsanlagen der Deutschen, 1942 von russischen Gefangenen gebaut. Die verbliebenen Bunker kann man besichtigen. Gut, dass es Handys mit Taschenlampenfunktion gibt. Wir stolpern ein bisschen darin herum, aber ich finde das nicht so spannend. Viel mehr gefällt mir die Sicht von oben auf die tolle Architektur der norwegischen Häuser ringsum. Teilweise sind sie so in die Natur eingebunden, dass man erst auf den zweiten Blick ein Haus erkennt. Danach schnuppern wir Stadtluft in Egersund, das mit seinen alten, weißen Holzhäusern und den engen Gassen schon einen gewissen Charme versprüht. Allerdings wirkt die Stadt irgendwie ausgestorben. Bei einem nahe gelegenen Aussichtspunkt finden wir und noch ein paar andere Reisende einen tollen Stellplatz. Der Blick auf die raue Küste ist aber trotzdem schön!

Wir befinden uns hier im sogenannten Magma Geopark, eine Landschaft, die vor ca. 930 Millionen Jahren durch einen Magmaaustritt in 20 Kilometer Tiefe entstanden ist. Durch die Abkühlung kam es dann zu den gigantischen Felsformationen. Wir nehmen eine kleine Straße, die sich in zahlreichen Serpentinen im steigen Auf und Ab durch die glattgeschliffenen Felsen hindurchzwängt. In kleinen Fischereihäfen schauen wir uns die verschiedenen Reusen an und fragen uns, wo sind eigentlich die ganzen Fische und Meerestiere, die hier gefangen werden? Denn in den Supermärkten auf jeden Fall nicht. Hier gibt es nur das gleiche TK-Zeug wie in jedem Discounter in Deutschland. Das trockene Wetter ist schon wieder vorbei und so steigen wir bei Nieselregen auf einem alten Schienenstrang steil hinauf zu einem Aussichtsgipfel, dem Fladen! Leider haben wir nicht herausbekommen, was dort früher mal herauf transportiert wurde. Jetzt sehen wir nur eine neue Fabrik, aus der in dichten Wolken Wasserdampf austritt. Und im diesigen Hintergrund natürlich den Jøssingfjord umgeben von den riesigen Felsbollern. Unser Reiseführer empfiehlt uns das Städtchen Flekkefjord. Auch hier wieder die pittoresken weißen Holzhäuser, verwinkelte Gassen, aber keine Menschenseele. Hmmm. Erst als wir mal die Ladenöffnungszeiten studieren, geht uns ein Licht auf. Die Läden haben hier nur von 10-16 Uhr geöffnet und jetzt ist es 16.30 Uhr. Also im nächsten Leben werde ich Verkäuferin in Norwegen, die Bezahlung soll auch für einfache Tätigkeiten sehr gut sein. Wegen einer Tunnelsperrung können wir nicht zu dem angepeilten Parkplatz fahren und müssen deshalb, auch weil wir keine Lust mehr zu fahren haben, auf einem Holzplatz neben einer wenig befahrenen Straße übernachten.

Unser letzter Tag in Norwegen ist da. Und da passt es ganz gut, dass wir zum Kap Lindesnes, dem südlichsten Punkt, fahren. Hier steht auch einer der letzten Leuchttürme, der noch bemannt ist. Da man ohne Eintrittsgeld nicht mal außen rumspazieren darf, lösen wir zwei Seniorentickets, steigen auf den Leuchtturm rauf und besichtigen in den Häuschen ringsum Ausstellungen zum Thema Leuchtturm und dem rauhen Leben an der Küste früher und heute. Interessant sind auch kurze Filme dazu, wo ich erfahren habe, dass die vermeintlich traditionellen norwegischen Häuser, eher Nachbauten aus anderen Ländern sind, die von den Seefahrern imitiert wurden. Über Mandal, ein weiterer schöner Badeort an der Südküste, mit zumindest einer halben Stunde faul im Sand liegen, fahren wir durch nun etwas dichter besiedelte, aber nach wie vor tolle, fast schon mediterrane Landschaft nach Kristiansand. Auf dem Platz vor dem Fährterminal richten wir uns dann für die kurze Nacht ein, denn um 6:15 machen die hier auf und da werden dann vermutlich ein paar Autos vorbeifahren.

 

Ein Fazit nach knapp drei Wochen in Mittel- und Südnorwegen: fantastische Landschaften, entspannte Menschen, vermehrt Camping-verboten-Schilder, z. T. exorbitante Preise und sehr viel Regen. Heute, an unserem letzten Tag, ist es das erste Mal ohne auch nur einen Tropfen abgegangen!

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