Auf dem Weg nach Cornwall machen wir noch Halt beim Kit Hill, ein kleiner Aussichtshügel mit einem alten, aufgelassenen Steinbruch und vielen ehemaligen Minenschächten und die dazugehörigen Abraumhalden, wo früher Zinn, Wolfram und Kupfer abgebaut wurde. Der Himmel ist bedeckt und es windet wie immer, aber der gelbblühende Ginster und die vielen Glockenblumen in Weiß-, Rosa- und Blautönen machen das Ganze wieder wett. Wäschewaschen ist angesagt und im Zeitalter der Kartenzahlung ist es nicht ganz einfach, jemanden zu finden, der uns das benötigte Kleingeld wechseln kann. Kurz nach St. Austell gibt es einen Wanderparkplatz mit einem freien Platz ganz hinten, wo wir nicht ganz rein kommen. Also warten wir, bis alle Gassigeher mit ihren Lieblingen nach Hause gefahren sind und stellen uns dann so hin, dass wir morgen auf jeden Fall wieder weg kommen.
„The Lost Gardens of Heligan“ ist unser Ziel, ein Riesenpark in Privatbesitz, der im 19. Jh. von den damaligen Besitzern angelegt wurde, dann in Vergessenheit geriet und erst 1990 wieder entdeckt und in mühevoller Arbeit hergerichtet und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Alte Wälder wechseln sich ab mit Weiden für Schafe, Rinder und Pferde, dazwischen ein Urwald mit exotischen Pflanzen aus Asien und einer burmesischen Seilbrücke, daneben ein gut gepflegter Küchengarten mit vielen Gewächshäusern, wo sogar Ananas gedeihen und natürlich überall Rhododendren, die gerade in allen Farben um die Wette blühen. Es ist wirklich fantastisch, zumal auch noch das Wetter mitspielt. Sogar Wolfgang gefällt es, obwohl der ja nicht so ein ausgesprochener Pflanzenfan ist. Einziger Wermutstropfen ist der recht happige Eintrittspreis von 25€/P.
Wir tingeln nun an der Südküste Cornwalls bis nach Lizard, zum südlichsten Punkt des englischen Festlandes runter. Laufen durch nette kleine Häfen, wie z. B. Mevagissey, fahren durch einspurige, von hohen Hecken gesäumten Sträßchen, was erstaunlicherweise trotz relativ viel Gegenverkehr immer gut geht und sind ein bisschen enttäuscht, dass in den vielen Mündungsarmen, die wir überqueren, immer Ebbe herrscht. In Lizard gehen wir zum Leuchtturm und dann ein Stück des South-West-Coast-Path (SWCP) immer oben auf den Klippen mit einigen steilen Auf- und Abstiegen, wenn man in eine Bucht runter muss, bis zur Kynance Cove, die so sagt man, eine der schönsten Buchten hier sein soll. Wir machen hier eine Kaffeepause, genießen ein bisschen die Sonne vor dem Café und kommen dann gerade noch vor der high tide trockenen Fußes über den Strand für den Rückweg. Die Ausblicke auf die wilde Steilküste sind wirklich einmalig, wir müssen oft stehenbleiben und einfach nur schauen!
Unser nächster Halt ist an der Nordküste Cornwalls bei Perranporth, hoch oben auf den Klippen und nur wenige Meter vom Küstenwanderweg entfernt. Am ersten Tag wandern wir nach Perranporth über den SWCP, wie gehabt mit vielen Auf und Abs. Der recht touristische Ort hat einen großen Sandstrand, wo auch bei Flut noch etwas Sand übrigbleibt. An den Hängen schmiegen sich schmucke Häuser, mal ganz modern mit riesigen Glasflächen, mal im traditionellen Stil mit Backsteinen verkleidet und großen Fenstern, aber mit vielen kleinen Scheiben. Beides sehr hübsch! Schade ist allerdings, dass in der Hauptmeile im Ort um halb fünf am Nachmittag schon alles geschlossen ist, bis auf die Gastronomie natürlich. Aber uns genügt ein Eis für den Rückweg, wo wir uns mal wieder den kräftigen Wind um die Nase blasen lassen. In der östlichen Richtung liegt das alte Bergbaudorf St. Agnes, es sind noch viele alte Schlote zu sehen und in der relativ kleinen Bucht tummeln sich zahlreiche Surfer. Groß und klein stürzt sich neoprenverpackt in die immer größer werdenden Wellen, so kurz vor der high tide. Wir sitzen auf einer der vielen Bänke, an denen Hinterbliebene kleine Gedenktafeln für die Toten angebracht haben und schauen den Surfern zu. Einer schwimmt sogar nur mit Badehose bekleidet, brr, bei 14° Wassertemperatur!
Wir können es kaum glauben, aber in Tintagel darf man ganz offiziell für ca. 4 € auf den Parkplätzen übernachten. Angeblich wurde hier König Arthus geboren, aber das gehört wohl ins Reich der Sagen. Auf jeden Fall wurde im 12. Jh. auf der felsigen, kleinen Halbinsel unterhalb von Tintagel eine gewaltige Burg errichtet. Vor drei Jahren wurde eine imposante Stahlbrücke zum alten Castle gebaut, von dem aber kaum noch ein Stein auf dem anderen steht. Unten am Strand liegt auch noch die Merlinhöhle, welche aber momentan nicht zugänglich ist. Tja, wir haben uns den happigen Eintritt über 45 € für uns beide für drei alte Steine gespart und sind zum Aussichtspunkt auf der anderen Seite gelaufen. Es fängt zu tröpfeln an und so geht es flugs hinauf in den Ort, wo es an jeder Ecke Gipsmasken von Merlin, König Arthus, seinen Rittern, Schwerte für Kinder und noch allen möglichen Krimskrams gibt. Kaum am LKW angekommen schüttet es wie aus Eimern. Also nach drei Wochen wird es aber auch mal Zeit für das typisch englische Wetter!
Über den „Atlantic Highway“ fahren wir in den Exmoor Nationalpark. Nur damit keine falschen Vorstellungen aufkommen, der Highway entpuppt sich als stinknormale Landstraße mit vielen Kurven, Engstellen, hohen Hecken links und rechts und auch sonst so schmal, dass ich mich bei entgegenkommenden Bussen oder LKWs immer ganz dünn mache und in die Mitte rutsche. Extrem sind jedoch die steilen Stücke hinunter zu den Küstenorten, wo man die Mündungsarme queren kann. Und steil heißt 25% runter und dann wieder rauf und das mehrmals. Das ist schon eine Quälerei für unseren Hiasl, doch wir werden mit einem superschönen Wanderparkplatz belohnt, ohne Verbotsschilder! Der Ranger kommt noch vorbei, bewundert unser Auto und wünscht uns einen angenehmen Aufenthalt. So mögen wir es! Im Exmoor NP gibt es an die 1000 km Wanderwege, leider können wir nur ein Prozent davon nützen. Dafür geht es auf den höchsten Berg des NP, auf den Dunkery Beacon mit sagenhaften 519 m! (Unsere Wohnung in Hohenwarth liegt schon höher.) Da der Rest niedriger ist, pfeift dort oben ein recht heftiger Wind, so dass wir unsere Runde bald fortsetzen. Kurz vorm LKW treffen wir auf eine Herde halbwilder Exmoor-Ponies, die uns dann später auch auf dem Parkplatz besuchen.
In unserem Reiseführer habe ich von dem Bristol-Bath-Railway-Path gelesen, ein Radweg auf einer aufgelassenen Bahnstrecke. Und praktischerweise gibt es fast in der Mitte einen kleinen Zeltplatz für wenig Geld. Gleich am Nachmittag starten wir noch nach Bath, wo die Römer vor ca. 2000 Jahren heiße Quellen entdeckten und dort einen Tempel und Badehäuser errichteten. Wir bewundern die alten Gemäuer, entdecken einen Platz mit hohen dichten Bäumen und Straßencafés, wie er auch in Frankreich hätte sein können, laufen durch die Fußgängerzone mit teils sehr noblen Geschäften und gönnen uns vor der Rückfahrt noch ein Bitter Ale und Cider. Von der Kneipe haben wir einen guten Blick auf die Bushaltestelle, wo sich die Menschen in englischer Manier ordentlich in einer ca. 50 m langen Schlange für den Bus anstellen. Pünktlich vor dem nächsten Regenguss kommen wir „zu Hause“ an.
Der Weg nach Bristol ist etwas weiter und in der Stadt mit knapp einer halben Million Einwohner auch nicht so einfach zu finden, doch mit nur wenig verfahren erreichen wir down town, mit der Kathedrale und ihrem tollen Garten, wo ein Café untergebracht ist, dem Millenium Square, die alten Docks, die Lagerhäuser, in denen jetzt Szenebars sind, viktorianische Häuser in der Altstadt, moderne Gebäude entlang des Avon und ganz hinten die Suspension Bridge. Die Shoppingmeile schenken wir uns heute und machen uns dann am späten Nachmittag auf die gut 20 km lange Heimfahrt. Und hurra die Sonne scheint, wir können endlich mal gemütlich vorm Lastwagen sitzen und am Abend auch noch grillen. Und erst da fällt mir ein, dass ich ja unbedingt wenigstens ein Graffiti von Banksy sehen wollte, wie konnte ich das nur vergessen, grr.
Beim Wasserauffüllen heute schwatzen wir längere Zeit mit Steven, der Wasserdruck lässt nur tröpfchenweise das kostbare Nass in unsere Tanks, der entweder hier auf dem CP wohnt oder im Winter in Tarifa oder mit seinem Wohnwagen in Europa unterwegs ist oder mit dem Flugzeug in der ganzen Welt. Er gibt uns viele Tipps zu Irland und Schottland und schreibt alles fleißig auf einen Notizblock. Leider hat er so eine Sauklaue, dass wir später dann ein paar Dinge gar nicht entziffern können. Über die Ring Road geht es zur Prince-of -Wales-Brücke und über den Kanal von Bristol nach Wales. Sämtliche Schilder sind ab sofort auf walisisch und Gott sei Dank auch auf englisch, denn das kann man beim besten Willen nicht verstehen. Unsere Vorfreude auf 40 km Autobahn wird leider durch viele Staus etwas getrübt, auch dann auf den Landstraßen sieht es nicht anders aus. Eine Besonderheit im britischen Straßenverkehr ist halt auch, dass es keine Parkplätze oder Raststellen gibt, wo man mal aufs Klo gehen kann oder einen Kaffee trinken. Und die Haltebuchten sind so schmal, dass unser LKW da nicht hinpasst. Doch irgendwann erreichen wir dann doch den Brecon Beacon NP nördlich von Cardiff und dort machen wir uns erstmal einen Apéritif zurecht!
Praktischerweise ist gleich in der Nähe unseres Übernachtungsplatzes der höchste Berg des NP und da wollen wir hin. Zuerst wildromantisch über eine nasse Wiese und dann sehen wir die „Autobahn“ hinauf zum Gipfel. Eine Menschenschlange mit den dazugehörigen Hunden zieht sich hinauf und da reicht es mir fast schon. Aber jetzt sind wir nun mal da. Bei heftigem Wind erreichen wir dann die Steinpyramide des Pen y Fan 886 m. Vor der Pyramide eine Menschenschlange, man glaubt es kaum, aber die stehen doch tatsächlich für ein Gipfelfoto an! Das ist mir jetzt doch zu blöde und so setzen wir uns mit dem Rücken zum Wind auf die Graskante und freuen uns an den wunderschönen, weiten baumlosen Bergen und mit vielen Schafen als weiße Sprenkel darauf. Später am LKW erreichen dann tröpfchenweise Soldaten der British Army den Parkplatz. Manche total erledigt nach dem Marsch, kein Wunder sie haben Riesenrucksäcke und eine kleine MP dabei!
Bei Regen und schlechter Sicht nehmen wir heute die letzte Etappe in England in Angriff. Dank der erstaunlich guten Straßen in Wales brauchen wir gar nicht so lange für die 135 km bis Pembroke Dock. Bei dem diesigen Wetter vertreten wir uns nur noch kurz die Beine und da gerade Ebbe ist - was auch sonst - finden wir bei der Schiffsrampe an dem kleinen Yachthafen, wo wir stehen, bestimmt 12 große Krabben auf dem Beton dort. Als an unserem letzten britischen Tag gutes Wetter ist, also es regnet nicht, machen wir noch eine Radltour nach Tenby, ein kleines Seebad mit langem Sandstrand und bunten Häusern ringsum, welche dem Ort einen mediterranen Charme verleihen. Wenn nicht das britische Wetter wäre! Trotz der gut 45 km und vielen steilen Auffahrten frieren wir und in Anbetracht der dunklen Wolken kehren wir fast sofort wieder um und radeln bald im Nieselregen zum LKW zurück. Heute Nacht um 2:45 Uhr legt unsere Fähre nach Irland ab!
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