Die Türkei empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und sehr freundlichen Grenzbeamten und Zöllnern. Ins Auto wollen sie nur aus Neugierde reinschauen und dann ist auch schon alles vorbei. Wir dürfen nun in den nächsten 180 Tagen 90 Tage davon in der Türkei verbringen. In der nächsten Stadt Kırklaleri erledigen wir die wichtigsten Dinge wie Geld abheben (mit horrenden Gebühren), SIM-Karte bei Turkcell und dann bei der Post den HGS-Mautsticker. Das dauert etwas, wir müssen 31 Nummern abwarten, aber dann haben wir den kleinen Klebstreifen! Nun brauchen wir aber eine Pide und Ayran zur Stärkung, laufen dann noch durch die recht europäisch angehauchte Stadt und dann geht es ab an die Küste. Noch kurz ein endlich mal angenehmer Tankstopp, 1,23 €/l, und schon stehen wir an einer Unfallstelle. Ein Tanklastzug ist in den Graben gerauscht. Kranwagen und Polizei schon vor Ort und da kommt der Türke vor uns auf die Idee den Stau rechterhand im Graben zu umfahren. Wolfgang gleich hinterher – wir haben ja Allrad – aber das gefällt dem Polizisten gar nicht! Er zwingt uns zu stoppen und als Strafe darf dann nach der Bergung erst der Gegenverkehr fahren und ganz zum Schluss wir dann. Tja, das hat uns Zeit gekostet und so müssen wir die letzten 20 Kilometer im Dunkeln zurücklegen und stellen uns dann aufs Geratewohl beim Fischereihafen von Kıyıköy für die Nacht hin. Dort schauen wir uns dann am nächsten Tag den kleinen, aber lebhaften Ort an und machen mit „unseren zwei Hunden“ eine kleine Wanderung in die umliegenden Berge. Die beiden haben sich vielleicht gefreut, dass sie auch mal rauskommen!
Wir finden auf dem Navi eine schöne Piste nach Yalıköy, dem nächsten Fischerort. Eine meist gute Sandstraße mit wenigen Steilstufen und ein paar Matschlöchern führt uns durch herbstliche Laubwälder, vorbei an orange-weißen Erdpyramiden und einsamen Stränden. Wolfgang experimentiert mit der Drohne und während einer Kaffeepause backe ich auch das Brot. Bei den kalten nächtlichen Temperaturen dauert der Gärvorgang nun etwas länger, so dass der Teig am Morgen noch nicht genug aufgegangen war. Kurz vor der Ortschaft installieren wir uns an einem langen Sandstrand und staunen bei einem Spaziergang über die für ein Binnenmeer doch recht heftigen Wellen.
Der angedachte Parkplatz in Rumeli Feneri ist leider geschlossen, so müssen wir mit einem Platz am Straßenrand Vorlieb nehmen. Dafür ist die Lage des Ortes super! Er liegt direkt an der Bosporusmündung ins Schwarze Meer. Es herrscht reger Schiffsverkehr, denn hier müssen alle durch, die ins Mittelmeer wollen, z. B. Auch die ukrainischen Getreidefrachter. Am Abend gönnen wir uns in einem guten Restaurant Fisch zum Abwinken. Ein Glas Wein hätte gut dazu gepasst, aber das gab es hier nicht.
Obwohl wir die neue Sultan-Selim-Brücke direkt vor Augen haben, entscheiden wir uns doch für den kürzeren Weg durch Istanbul und die Sultan-Mehmet-Brücke. Auf vierspurigen Straßen, pro Richtung wohlgemerkt, kommen wir gut durch die 16 Millionen Stadt und schon heißt uns Asien willkommen! Über einsame Autobahnen fahren wir raus aus dem Einzugsbereich von Istanbul und landen auf einem kostenlosen Wohnmobilstellplatz inkl. Strom und Wasser beim Ormanya-Park hinter Izmit. Am Abend besuche uns noch unsere türkischen Nachbarn. Zum einen sind sie neugierig wie wir so hausen und stellen auch gleich erschrocken fest, dass es kleiner als gedacht ist, zum anderen haben sie Stromprobleme und hoffen auf Hilfe. Aber auch am nächsten Tag kann ihnen zwar Wolfgang erklären was nicht funktioniert, aber in eine Werkstatt müssen sie trotzdem. Wir laufen auf einen netten Rundweg durch den Park, vorbei an Hobbithäusern, Vogelbeobachtungsposten und an recht großzügig angelegten Wildgehegen. Bis jetzt sind wir fast alleine unterwegs, aber beim Zoo ändert es sich. Schulklassen und Familien mit und ohne Kinder schauen sich die teils exotischen Tiere an. Mir haben am besten, die Geier, die Stachelschweine und die Wallabys gefallen, von denen eines noch ein Kleines im Sack hatte.
In Adapazarı gehen wir noch in eine kleine Mall, in meinen Augen riesig, um vorsichtshalber noch etwas Datenvolumen aufzuladen bzw. unser Geschenk bei Turkcell abzuholen und noch ein paar Einkäufe zu erledigen bevor es Richtung Südosten durch eine stark landwirtschaftlich geprägte Region nach Göynük geht. Wolfgang fährt recht unerschrocken in die Altstadt rein und dort bekommen wir direkt neben dem alten Hamam noch den letzten Parkplatz. Göynük liegt an der alten Seidenstraße und ist dadurch zu einigem Reichtum gekommen. Davon zeugen immer noch die alten Herrenhäuser (Konag), die alte Moschee und der Schrein mit den Gräbern von: ich weiß es nicht mehr. In den kleinen Läden im Erdgeschoss sind natürlich auch Tee- und Kaffeehäuser untergebracht, doch es finden sich vorwiegend Geschäfte für den täglichen Bedarf, wie Bäcker, Gemüse, Elektroartikel, Telefonläden, Eisenwaren etc. Die Menschen kennen sich hier, man grüßt sich, hält ein kurzes Schwätzchen oder trinkt einen Tee zusammen. Bei uns wissen sie auch gleich, dass wir die mit dem gelben LKW sind. Vor lauter Freude, dass sich Fremde hier einfinden, werden wir zum Tee eingeladen.
In Mudurnu, ebenfalls an der Seidenstraße gelegen, erwirbt Wolfgang bei einem alten Schmied ein Beil. Dafür dürfen wir seine Werkstatt mit seinen Erzeugnissen ansehen. Sehr klein, sehr dunkel und total vollgestopft, aber noch echte, ehrliche Arbeit bis auf die kupfernen Ayranbecher. Zurück am Parkplatz haben sie uns komplett zugeparkt. Auch lautes Hupen hilft nicht, also hat sich Wolfgang an den Polizisten der gegenüberliegenden Wache gewandt. Über das Kennzeichen hat er die beiden alten Herren angerufen, die dann nach ca. 10 Minuten betont langsam ihren Volvo weggefahren haben.
Nach einer einsamen Übernachtung gleich hinter Mudurnu stiefeln wir ein paar Minuten einen Hügel hinauf, von dem wir eine gute Sicht auf das „Geisterdorf“ haben. Hier stehen ca. 200 Einfamilienhäuser, alle weiß, alle mit spitzen Türmchen und alle unvollendet. Als wir davon gelesen haben, dachten wir eigentlich, dass es sich um eine Nekropole handelt, aber nein, da ist wohl einem Investor das Geld ausgegangen. Unangenehmer Nebeneffekt der Exkursion: Das ganze Gebiet besteht nur aus zähem Lehm! Teilweise haben wir bis zu 10 cm Lehmstollen unter den Sohlen, grr. Das Schuheputzen hat deutlich länger gedauert, als der Ausflug.
Wir fahren weiter nach Beypazarı und sehen wunderschöne, bunte Berge. Das sieht doch nach einem perfekten Übernachtungsort aus. Eine Piste führt uns zwischen den Hügeln durch und eine ebene Fläche mit verdorrtem Gras lacht uns an. Wir lachen bald nicht mehr, als wir merken das wir total eingesunken sind. Nachdem wir dort alles umgepflügt haben, hat der LKW mit allen Sperren und letzter Kraft Gott sei Dank mit dem linken Vorderrad wieder Grip auf der Kiesstraße gehabt. Puh, das ist gerade noch mal gutgegangen! Irgendwie ist uns die Lust auf bunte Berge vergangen, vor allem als wir gesehen haben, welch zähe Masse überall am Hiasl klebt. An einem Picknickplatz, die es in der Türkei an jeder Ecke gibt, bei einem Stausee kratzen wir mit Stöcken den Batz etwas weg und genehmigen uns erst mal was zur Beruhigung. In der nahen Stadt steht ein riesiges Kohlekraftwerk und der beissende Geruch ist ziemlich unangenehm.
In Beypazarı kaufen wir im alten Bazarviertel noch Gemüse und Kekse ein, für das pappsüße Lokum, vor allem aus Karotten, können wir uns nicht so begeistern. Auffällig sind aber die vielen türkischen Touristen, die mit prallen Plastiktüten an den Ständen vorbeischlendern. Super ist, dass wir dann bald eine Tankstelle mit Waschanlage finden, wo wir auch reinpassen. Für ca. einem Euro wird der Hiasl zumindest untenrum wieder sauber gemacht.
Wir durchqueren nun die anatolische Hochebene (auf ca. 1000m hoch gelegen), die stark landwirtschaftlich genutzt wird. Die Zuckerrübenernte ist noch im Gang, aber ansonsten werden die meisten Felder gerade umgepflügt. Über breite Straßen kommen wir durch Städte mit unzähligen, neuen Vorortsiedlungen, die mitten im Dreck liegen, vorbei an kleinen Dörfern, die einen verwaisten Eindruck machen – wahrscheinlich wohnen jetzt alle in den Städten, bis auf die Bauern – und großen landwirtschaftlichen Betrieben mit riesigen Stallungen und Futtertürmen.
Unser nächstes Ziel ist der große Salzsee Tuz Gölü, südlich von Ankara. Leider ist es nicht so wie auf unzähligen Fotos eine weiße, feste Salzfläche, sondern eher brauner Dreck, dann etwas Salz und danach Wasser. Aber egal, wir fahren über einen aufgeschütteten Damm über den See, schauen uns die riesigen Salzberge an und staunen über die große Anzahl von Lkws, die mit Radladern mit dem „weißen Gold“ beladen werden. Angeblich wird hier ein Viertel des türkischen Kochsalzes gewonnen. Am östlich Ufer ist dann ein toller Übernachtungsplatz für uns. Die Sonne ist gerade am untergehen und malt die Berge hinter uns orange an. Kurz darauf färbt sich der Himmel kitschig in gelb-orange-rot!
Die Nächte sind nun schon ganz schön frisch, so knapp über Null Grad, dafür haben wir aber tagsüber Sonne und blauen Himmel. In Sultanhanı ist die größte Karawanserei Anatoliens aus dem 13. Jh. Das reich verzierte Eingangsportal ist aus Marmor, in den Hallen links und rechts befanden sich die Lagerhallen und Versorgungsräume. In der großen fünfflügeligen Halle ist gerade eine Teppichausstellung – sehr schön – mit Musikuntermalung. Eine tolle Atmosphäre! Super finde ich, dass keine Souvenirbuden darin unterbracht sind. In Aksaray finden wir einen „Takograf“ Experten und lassen dort unseren Tacho, den in Deutschland niemand oder nur für sehr viel Geld anlangen will, reparieren. Jetzt hat Wolfgang halt keine Ausrede mehr, falls er geblitzt wird. Ja, das kommt sogar bei unserer langsamen Krücke vor! Wie schon öfter in größeren Orten oder Städten übernachten wir auch hier auf dem Parkplatz eines Parks. Davon gibt es reichlich, immer mit Kinderspielplatz und mit vielen überdachten Picknickplätzen mit Tisch und Bänken, mit Mülleimern und oft mit Grill.
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Reinhard Gänsdorfer (Montag, 12 Dezember 2022 05:18)
Interessanter Bericht. Gute Fahrt weiterhin